Hexenküche – Max Slevogts druckgrafische Experimente
25. September 2021 bis 9. Januar 2022
Glasätzungen mit der hochgiftigen Flusssäure, Drucke auf Leder und Seide, Druckplatten aus Porzellan oder Speckstein – das sind die Ergebnisse zahlreicher Nächte, in welchen Max Slevogt eifrig mit druckgrafischen Techniken experimentierte. Gemeinsam mit den Künstlern Bernhard Pankok und Emil Orlik sowie seinem engen Freund Dr. Josef Grünberg, schloss sich dieser um 1920 zu der Künstlergruppe „SPOG“ zusammen, die nach ihren Anfangsbuchstaben benannt wurde.
In dieser Ausstellung wird erstmals der umfangreiche und bisher unveröffentlichte Briefwechsel zwischen Slevogt und Grünberg transkribiert, wissenschaftlich bearbeitet und in einer kommentierten Briefedition veröffentlicht. Der erste Brief wurde genau vor 100 Jahren geschrieben. Fast alle der Briefe und Postkarten, sind zudem mit aufwendigen und humorvollen Randzeichnungen von Slevogt versehen. Neben vielen privaten und politischen Ereignissen stehen in dem Austausch vor allem die druckgrafischen Experimente der beiden im Vordergrund.
Die Ausstellung arbeitet erstmals diese höchst produktive Zusammenarbeit auf, veröffentlicht die Korrespondenz und rekonstruiert die Experimente ihrer sog. „Hexenküche“. „SPOG“ ist in der bisherigen Forschungsliteratur ein absolutes Desiderat geblieben. Die Aufarbeitung dieser Forschungslücke ist nur anhand der einzigartigen Bestände der GDKE/Landesmuseum Mainz möglich. Dazu zählt unter anderem der grafische Nachlass des Künstlers oder die umfangreiche Grafiksammlung von Grünberg – mit zahlreichen persönlichen Widmungen von Slevogt –, die die enge Freundschaft der beiden einzigartig dokumentiert. Die Ausstellung und der umfassende Ausstellungskatalog präsentieren eine weitere grundlegende wissenschaftliche Bearbeitung des Oeuvres Slevogts durch das am Landesmuseum Mainz angesiedelte Max Slevogt-Forschungszentrum und zeigt damit zugleich einen bisher weitgehend unbekannten Aspekt des Künstlers.
Die SPOG–Künstler
Max Slevogt
Max Slevogt, der nicht aus der Pfalz, sondern ursprünglich aus Landshut stammte, war seit 1901 in Berlin ansässig. Zunächst wohnte er in der Motzstraße 70, ab September 1908 zog er aufgrund seines Familienzuwachses in eine größere Wohnung in der Lietzenburgerstraße 8 a um. Als sich die Künstlergemeinschaft SPOG um 1920 zusammenschloss, war Slevogt bereits ein sehr etablierter Künstler, der in einem Atemzug mit Max Liebermann und Lovis Corinth als einer der sogenannten »Deutschen Impressionisten« gelobt wurde. Slevogt veröffentlichte zeitgleich umfassende Illustrationsprojekte. Besonders die Drucktechnik der Lithografie, die seinem lockeren Zeichenstil am besten entsprach, hatte er perfektioniert. Zahlenmäßig steuerte Slevogt die meisten Zeichnungen für SPOG bei, die er scheinbar völlig spontan auf die kleinen Druckplatten skizzierte. Er war stets offen für sämtliche Ideen und Materialien. Grünberg, der Slevogts Können und Phantasie absolut schätzte, begann seine Briefe an ihn meist ehrfürchtig mit der Anrede »verehrter Meister«.
Bernhard Pankok
Der aus Münster in Westfalen stammende Pankok war seit seiner Studienzeit in München eng mit Emil Orlik befreundet. Er komplettierte SPOG. Allerdings spielte er in der kleinen Künstlergemeinschaft eher eine geringe Rolle und war nur ab und zu dabei, wenn er wegen Aufträgen für Opernausstattungen an der Berliner Staatsoper länger in Berlin verweilte. Diese waren auch der Grund, warum er zu Beginn der 1920er Jahre wieder verstärkt Kontakt zu dem Berliner Kreis rund um Emil Orlik hatte und überlegte, auch nach Berlin umzuziehen. Pankok blieb dann aber dennoch weiterhin bei seiner Familie in Stuttgart, wo er seit 1902 wohnte und arbeitete. Er war zunächst in der neugegründeten Königlichen Lehr- und Versuchswerkstätte als Professor und ab 1913 dort als Direktor tätig. Die Freundschaft zu Orlik hielt er ein Leben lang aufrecht. Die Spezialgebiete Pankoks waren die Radierung und das sehr zeitintensive Mezzotinto.
Emil Orlik
Schon vor der Gründung von SPOG war der aus Prag stammende Künstler Emil Orlik bereits ein enger Freund von Slevogt und Pankok. Der Grafiker war seit 1905 in Berlin als Leiter der Grafikklasse im Berliner Kunstgewerbemuseum ansässig. Er engagierte sich in verschiedenen Künstlervereinigungen, wie etwa der Berliner Secession, und besuchte auch regelmäßig Slevogts Stammtisch im »Romanischen Café«. Orlik war einer der zentralen Netzwerker der damaligen Berliner Künstlerszene. Als einer der ersten Künstler reiste er 1901 eigens nach Japan, um die dortige traditionelle Technik des Holzschnittes von Grund auf zu erlernen. Durch seine Studien wurde er zu einem Spezialisten für den Holzschnitt. Wie eng die Freundschaft zwischen Orlik und den anderen Beteiligten war, belegt die umfangreiche Korrespondenz. Diese zeigt etwa, dass er sich mit Grünberg auch immer wieder um Slevogts Kinder kümmerte, wenn dieser nicht in Berlin sein konnte, und berichtet von gemeinsamen Kinobesuchen oder Urlaubstagen.
Josef Grünberg
Josef Grünberg war ein bedeutender Kieferorthopäde und Zahnarzt. Aber vor allem war er ein äußerst enthusiastischer Sammler von Slevogts Werken – ausdrücklich nicht den Gemälden, sondern den Druckgrafiken und zahlreichen illustrierten Büchern. Er initiierte die Künstlergemeinschaft SPOG und versorgte die anderen immer wieder mit ungewohntem Material und neuen Ideen für die Experimente. Diese fanden in seinem Zahnarztlabor, der sogenannten »Hexenküche« statt. Der aus der Urkraine stammende Grünberg war der grandiose Techniker und Tüftler der Gemeinschaft, der die Idee für die hydraulische Druckerpresse für die SPOG-Experimente entwickelte. Er wohnte von Slevogt und Orlik in Berlin nur wenige Gehminuten entfernt. Zu seinen Freunden zählten unter anderem auch der Berliner Modearzt Jan.s Plesch und der Nobelpreisträger Albert Einstein. Ein tiefer Einschnitt war ein Schlaganfall, den er im Sommer 1928 erlitt und von dessen Folgen er sich zeitlebens nicht mehr ganz erholte.
KiM-Digital: Einblicke in die Hexenküche
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Katalog
Ein Katalog zur Ausstellung ist im Sandstein Verlag erschienen.
Die Museumsausgabe ist zum Vorzugspreis von 24 Euro an der Kasse erhältlich, der Katalog kann aber auch beim Verlag zum Buchhandelspreis von 34 Euro bezogen werden: