Vom Gefäß zur freien Form – Keramik im 20. Jahrhundert
14. August 2021 – 23. Januar 2022
Darf ich in Ihre schönen Gefäße auch etwas hineintun?
Sie können, Sie müssen es aber nicht!
Die Erzählung:
Jahrtausende lang ist eine Schale, eine Kanne, ein Becher ein Gebrauchsgegenstand. Ist dies ausnahmsweise einmal nicht so, dann handelt es sich um ein Luxusobjekt, dem man wegen des kostbaren Materials oder der aufwendigen Verarbeitung ansieht, dass es sich um ein Schauobjekt handelt. Die alte Form wird dabei nie aufgegeben. Glasuren und Dekor werden zum wichtigen Faktor der Formfindung. Für die europäische Keramik spielen dabei außereuropäische Einflüsse z.B. aus dem islamischen und asiatischen Kulturraum eine bedeutende Rolle. Selbst der Jugendstil, der sonst mit lästigen Traditionen bricht, erhebt die Silhouette der Amphore oder der chinesischen Balustervase noch einmal zur Grundlage seiner künstlerischen Gefäße. Die 1920er und 30er Jahre sind innovativ im Entwurf und der Herstellung guten Gebrauchsgeschirrs, das z.T. bis heute produziert wird. Der Designer versteht sich auch als Künstler, jedoch überlässt er nach Erstellen des Entwurfs und vielleicht eines Prototyps die Fertigung der Industrie.
Mitte des 20 Jahrhunderts gibt es einen radikalen Schnitt, einen Bruch mit der Tradition. Nicht mehr das Töpferhandwerk und schon gar nicht das luxuriöse Porzellan der Manufakturen des 18. Jahrhunderts inspirieren junge Keramikkünstler. Der Ton wird jetzt zum Medium für den künstlerischen Ausdruck.
In Deutschland spielt Jakob Wilhelm Hinder (1901–1976) dabei eine wichtige Rolle: Er macht junge Keramiker*Innen mit allen aktuellen Strömungen bekannt und ermutigt sie, ihren eigenen Weg zu gehen.
Alte handwerkliche Techniken werden hinterfragt, neue erprobt, verworfen oder perfektioniert. Vasen werden zu Objekten und diese lösen sich schließlich von jedem Funktionszwang.
Während der Hochzeit der abstrakten Kunst in den 60er Jahren erreicht die „Studiokeramik“ (im Unterschied zur Manufakturware, aber auch zum traditionellen Töpferbetrieb) die Sammlerkreise, die auf Kunstmessen, der documenta, oder der Biennale von Venedig zu finden sind.
Die Protagonisten:
Die Sammlung Hinder/Reimers – seit 1993 im Besitz des Landes Rheinland-Pfalz – ist eine der bedeutendsten Sammlungen moderner Keramik in Deutschland. Sie wurde seit Anfang der 1950er Jahre unter großem persönlichem Einsatz von Jakob Wilhelm Hinder und Lotte Reimers (* 1932) aufgebaut. Während der Sammlungsbestand zu Hinders Lebzeiten vorwiegend die Keramik Westdeutschlands von 1950 bis ca. 1970 abbildete, wurde dieser durch Lotte Reimers bis zu den 1990er Jahren um beispielhafte Objekte führender europäischer Künstler erweitert.
1972 übergab Hildegard Storr-Britz ihre Sammlung dem Landesmuseum Mainz, die sie in über 30jähriger Lehrtätigkeit an der Fachschule in Höhr-Grenzhausen zusammengetragen hatte. Auch diese Studienobjekte sind absolute Einzelstücke. Eine Auswahl daraus ergänzt die aus der Landessammlung Hinder-Reimers.
Das Landesmuseum Mainz verfügt über Bestände, die die Entwicklung der Keramik vom 6. Jahrtausend v. Chr. bis in die Gegenwart für unsere Region quasi lückenlos repräsentiert. Exemplarische Stücke historischer Keramik werden der Studiokeramik an die Seite gestellt oder mit ihr konfrontiert.
Virtueller Rundgang durch die Ausstellung
Entdecken Sie die Ausstellung digital unter http://www.virtuell.keramik-sammlung.de/virt_mainz-2022/index.htm
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Als die Keramik Laufen lernte
Die Kuratorin Dr. Ingrid Vetter widmet sich in einem Spezial der Ausnahmekünstlerin Beate Kuhn und ihrem einzigartigen und unverwechselbaren Werk.
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Bekenntnis zur Keramik
Der Künstler Walter Popp (1913 – 1977) gab der Keramik als Hochschullehrer in Kassel in den 1960er Jahren entscheidende Impulse. Durch seine ganz eigene Herangehensweise an Form und Farbe schuf er abstrakte und unkonventionelle Kompositionen, die dem Werkstoff Ton einen damals radikal neuen Ansatz verliehen. Die Landessammlung Hinder/Riemers „Moderne Keramik des 20. Jahrhunderts“ auf Schloss Villa Ludwigshöhe versammelt viele seiner Werke. In dieser KiM-Digital nimmt Sie Dr. Ingrid Vetter mit auf eine Reise in dieses besondere Feld der Moderne.
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